Eldorado KaDeWE

Als Neu-Berlinerin sauge ich immer noch alles auf, was ich zu Berlin lesen, hören und sehen kann. Empfehlenswert ist zum Beispiel die Dokumentation „Berlin – Schicksalsjahre einer Stadt“, die in jeder Folge ab 1960 ein Jahr Berlin Ost und West dokumentiert. Mit viel Politik, Städtebau, Gesellschaftsthemen, Musik. Großartig.

Mit dem Verständnis hatte ich mir dann auch die Miniserie „Eldorado KaDeWe“ angeschaut. Ich erwartete leichte Serienkost. Aber ganz ehrlich – keines der dort gezeigten Themen war wirklich seicht. Auch wenn man von den „Goldenen Zwanzigern“ spricht, eine ganze Menge war wirklich nicht golden: Die jungen Männer, die versehrt aber mindestsens verstört aus dem Krieg zurückkehrten. Die allgegenwärtige Drogensucht. Wohnungsmangel. Armut. Bittere Armut. Dann die Inflation. Und zum Ende der Zwanziger natürlich die Nationalsozialisten und ihre Jagd auf Juden. Vielen ernsthafte Themen, bei denen ich denke: Wenn wir Wohlstandsbürger uns heute solchen Themen stellen müssten – würden wir schlauer, moralischer oder einfach besser handeln und entscheiden? Hätten wir die Lektionen gelernt?

Aber das eigentlich berührende im Film war die Beziehung zwischen den beiden weiblichen Protagonisten. Die sich lieben. Die unabhängig sein wollen. Aber die als Frau damals ganz generell unter so viel Druck und in einer solchen Abhängigkeit gelebt haben. Egal ob vermögend oder bettelarm.

Es sind hundert Jahre seitdem vergangen. Oft sagen wir es hat sich nicht viel verändert. Auch ich bin der Meinung, das noch viel mehr geschehen muss. Aber seit dem Film bin ich etwas reflektierter: Es hat sich viel getan. Heute kann jeder und jede seine Liebe ausleben – ob hetero, homo oder queer. Wenn Frau möchte, geht sie arbeiten. Und vor allem Studieren, eine Ausbildung machen – alles Wissen der Welt ist heute verfügbar. Gewalt in der Ehe ist strafbar, wir haben #metoo und bald fällt auch der Paragraf 219.

Also seien wir ehrlich: Es ist schon verdammt viel geschehen. Wir müssen jetzt einfach dranbleiben: Also, lasst uns überholte Rollenmodelle infrage stellen. Lasst uns jede die Veränderung, die sie in der Welt sehen möchte, selbst leben. Und lasst uns das Ganze mit Beharrlichkeit aber auch einer guten Portion Gelassenheit angehen.

Dann bin ich sehr zuversichtlich. Und komme in hundert Jahren gerne mal zurück zum Praxischeck …