Gerade habe ich einen Artikel über das bedingungslose Grundeinkommen gelesen. Ein Thema, das ja hochumstritten ist. Zugegeben, auch ich habe dazu bisher eine eher ablehnende Haltung. Ganz nach den Slogans und Prinzipien meiner eigenen Erziehung: Jeder ist seines Glückes Schmied, Wer sich wirklich anstrengt schafft das schon, Man muss nur wollen. Fleiß, Disziplin, harte Arbeit. Dann wird’s schon was.

In dem Artikel beschreibt eine junge Frau aus Berlin wie sich so ein Grundeinkommen tatsächlich anfühlt. Durch Zufall erfuhr sie von einem Pilotprojekt, bewarb sich und erhält nun als eine von 122 TeilnehmerInnen für 3 Jahre 1.200 Euro monatlich. Sie wird dabei wissenschaftlich begleitet, unter anderem wird regelmäßig eine Haarprobe genommen und das Cortisol, also der Stresslevel gemessen.

Die junge Frau war als jugendlicher Flüchtling mit ihren Eltern aus dem Kosovo gekommen, hatte die Schule beendet und eine Ausbildung als Kinderpflegerin abgeschlossen. Sie war ein halbes Jahr als Au-pair im Ausland, kehrte zurück und arbeitet nun in einer Grundschule. Und am Wochenende steht sie hinterm Tresen, um die Miete zu bezahlen. Sie träumt von einer weiterführenden Ausbildung, von einem Studium. Alles unerreichbar, da unfinanzierbar.

Nach einem knappen Jahr im Projekt hat sie mittlerweile eine Ausbildung an der Akademie für Heilpraktiker begonnen. Sie macht nun etwas das Sinn macht, für sie selbst und für die Gesellschaft. „Ich fühle mich viel leichter.“ sagt sie.

Der Bericht hat mich sehr berührt. Diese junge Frau hat schon so viel erlebt und sich immer weiterentwickelt: Sie hat sich in einer neuen Heimat zurechtgefunden, eine neue Sprache gelernt, ist wissbegierig und zielstrebig, fleißig noch dazu. Und würde ohne dieses Grundeinkommen vermutlich tatsächlich nicht weiterkommen.

Müssen wir an dieser Stelle nicht alle einmal anhalten und umdenken? Wenn die Tugenden, auf die wir als Gesellschaft schwören – Fleiß, Disziplin und harte Arbeit – nicht mehr wirksam sind. Was sind dann die Alternativen?

Ich denke wir sollten mehr und öfter über dieses Thema diskutieren. Ein solches Grundeinkommen könnte auch noch viel variabler eingesetzt werden: Für den zweiten oder dritten Bildungsweg zum Beispiel. Für Familienauszeiten. Für eine Zeit der Neuorientierung und Besinnung, in der wir uns einen neuen Platz in unserer Gesellschaft suchen.

Wir alle sollten die Chance haben neu anzufangen, nochmal durchzustarten. Wann auch immer in unserem Leben die richtige Zeit dafür ist.